Nerex dreht eine der Spielkarten in der Hand.
„Hast du geglaubt, du würdest ihnen jetzt und hier begegnen? Lies die Schriften. Nimm den geheimen Weg, den du nur dort findest. Ich bringe dich zurück nach Erirfort!“
Figuren aus Beormere/Vladzrodos
Nerex bückt sich und hebt mehrere Karten auf, drückt sie dir in die Hand.
Du wendest sie und findest je zwei Karten von Josha, Andrarg und Veseara.
Nein, nicht, was du erwartet hattest.
Du wolltest den Wächter kennen lernen, der zum Krasos wurde. Ihm die Hand schütteln, in seine schwarzen Augen schauen. Stattdessen liest du, was Josha und die Mantelmagd über ihn sagen.
Du kommst ihm näher, aber ganz anders, als gedacht.
Aber dich quält die Neugier. Du willst mehr wissen.
Du willst Josha sehen, den Jungen, der hier auf Erirfort lebt. Den Grafensohn. Du hast gehört, er hätte fast weiße Haare. Und dass er Bogenschießen nicht leiden kann. Eigentlich schade, sonst hättet ihr um die Wette schießen können.
Und Veseara? Im Grunde genommen bist du froh, ihr nicht begegnet zu sein, nach allem, was du in der Taverne gehört hast. Aber als du die Karten liest, spürst du, wie sich dein Herz zusammenzieht, als würden schmale Finger sich darum schlingen und sich langsam schließen.
Du schluckst.
Atmest.
Und steckst die Karten ein.
Wer weiß, wofür du sie noch brauchen kannst.
„Es war meine Idee“, erklärt Nerex in die Stille hinein.
„Rot für Beziehung, blau für Distanz. Aber glaub mir, das hier ist erst der Anfang. Nicht mehr lange und dann gebe ich dir den wahren Kartenstapel und fordere dich heraus. Du wirst mir nicht entkommen, Menschlein.“ Er grinst. „Bis dahin: Lies das Buch, dann findest du weitere Karten! Sogar eine vom goldenen Seelenfinder Breanos.
AndraRg
Andrarg
„Ich wusste gleich bei meiner ersten Begegnung mit Andrarg, dass ich jemand Besonderen getroffen hatte. Er vermochte es mich aus meiner Trauer herauszureißen, die ich wegen meines verstorbenen Zuchtmeisters hatte. Einfach so, nur durch seine Anwesenheit. Ich erkannte in ihm Licht, aber das ist nicht für alle sichtbar. Nach außen hin ist er oft schroff, befehlend und belehrend. Er zeigt nicht, welche Liebe er zu Büchern hegt, zur Geschichte. Wie sanft er sein kann. Wie gut er zuhören kann. Und es gibt Tage, da dringe ich nicht zu ihm durch, als wäre er von einer düsteren Mauer umgeben. Gleichzeitig schafft er es, dass ich stärker werde. Dass ich kämpfen kann. Selbst das Bogenschießen ist nicht mehr schlimm, wenn er dabei ist.“
Andrarg
„Das Leben auf Erirfort ist eigentlich ganz geruhsam. Bis zu dem Tag als der neue Zuchtmeister eintraf. Ich denke nicht, dass er mich bemerkt hat, aber ich sehe ihn. Wie er aussieht! Jung. Stark. Kantig. Er hat Kraft und Macht. Ich denke, bei ihm könnte ich sicher sein. Oder er reißt mich mit in den Abgrund, ich bin mir nicht ganz sicher. Keiner der anderen Soldaten hat eine solche Präsenz. Ob er als Zuchtmeister jemanden an seiner Seite gebrauchen kann? Ach, das sind nur Träume. Josha wird erwachsen werden und dann ist Andrarg wieder fort. Aber wirklich. Ich habe noch nie jemanden wie ihn getroffen.“
Ich hätte kämpfen können. Ich wäre getötet worden. Dann wäre alles vorüber. Aber jetzt, in diesem Moment, wo ich wusste, dass es eine Möglichkeit gab, rang ich mich dazu nicht mehr durch.
Aus Andrargs Schriften – Teil 1: Die Prophezeiung
Josha
Josha
„Ich hatte zu viele Brüder, Josha hat zu wenige. Beides ist nicht richtig. Er ist ein guter Junge. Diszipliniert und freundlich, hat für jeden ein offenes Ohr. Er glaubt nur nicht, dass er ein guter Graf werden wird. Ein wenig mehr Selbstvertrauen würde ihm gut tun. Oder etwas mehr aus sich herauskommen. Vielleicht hätte er lieber Schreiber werden sollen, wie ich. Aber nein. Ich bin mir sicher, er kann führen. Er braucht nur noch Zeit. Nicht jeder ist mit 14 schon zum Herrscher gemacht. Ich wünschte nur, ich könnte mehr tun, um sein Alleinsein zu mindern.“
Josha
„Ich weiß, was Vexkar mit ihm will. Aber ich kann es eigentlich nicht glauben. Er ist doch nur einer dieser faden Menschen. Schlimmer noch, er scheint einfach keine Gefühle wie Angst und Schmerz zu haben. Sollte nicht ein Junge, der nie eine Mutter gehabt hat, mehr davon spüren? Kann ein Vater das wirklich ersetzen? Nicht, dass ich wüsste, wie es ist, einen Vater zu haben. Aber ganz ehrlich? Der Junge ist so langweilig und unscheinbar wie seine weißen Haare. Da gab es unter seinen Ahnen wirklich so manch interessanteren Vertreter der menschlichen Spezies. Was der Davos nur an ihm findet? Wenigstens dazu taugt er – als Druckmittel.“
Graf Percys Sohn war gerade über das Kindlichsein hinaus, vielleicht erst seit Kurzem in dem Alter, wo er sich die ersten Bartstoppeln entfernen musste, vierzehn oder fünfzehn, bestimmt nicht älter.
Aus Andrargs Schriften – Teil 1: Die Prophezeiung
Veseara
Veseara
„Ah, Feuerherz. Die Frau, deren Zähne nicht annähernd so scharf sind, wie ihr Wesen. Ihr Weg ist kein leichter, doch dann wäre es auch nicht der richtige Weg für sie. Kaum ein Krasos, dem ich begegnet bin, trägt so viel Stahl und Willen in sich. Doch als Frau ist ihr der Weg zur Spitze verwehrt. Wie so vielen Frauen, da werde ich die anderen nie verstehen. Sie hat Talent. Ich hätte sie gerne bei mir behalten. Oder sie in den Zirkel aufgenommen. Aber in ihr wohnt eine Rastlosigkeit, die sie niemals an einem Ort Wurzeln schlagen lassen wird. Ich fürchte nur, eines Tages wird sie etwas tun, womit sie sich selbst verbrennt. Ein Jammer, denn eine wie sie wird es nie mehr geben!“
Veseara
„Ich kenne keinen Helras, der sie nicht begehrt. Nein, wirklich! Du hättest die anderen Schattendämonen mal erleben sollen, als sie das erste Mal die Schattenhöhle betrat. Nach keiner Dämonin wurde so sehr gelechzt, wie nach dieser. > Vielleicht liegt es an ihrem inneren Feuer – aber ganz ehrlich, sie ist nicht die erste Brazkrasos, der ich begegne und was ihre Ausstrahlung anbetrifft, konnte diese Veseara nicht das Wasser, äh, das Feuer reichen. > Aber ich würde im Leben nichts mit ihr anfangen. Sie ist ernst, abgehoben, denkt, sie sei was Besseres und hätte im Leben der Unterwelt einen Sinn gefunden. Als ob es den gäbe.“
Doch sie lachte und zeigte dabei eine Reihe strahlend weißer, scharfer Zähne. Sie waren spitzer als bei Menschen, als ob sie sie geschärft hätte.
Aus Andrargs Schriften – Teil 1: Die Prophezeiung
Nerex starrt dich an. „Wo sind die Karten?“
Du legst die Hand auf deinen Mantel.
„Gut, Menschlein, pass nur drauf auf. Und jetzt zurück nach Erirfort. Oder besser noch in Aethels Taverne. Mir ist gerade die Idee für ein neues Lied gekommen.“
Er dreht sich um, eine Hand auf deinem Arm und singt „Nun freut euch, ihr Menschlein!“
