Zwiegespräche in
Aethels Taverne
Die Wahrheit und Moral von Grimdark Fantasy
Aethels Taverne – ein Ort am Übergang der Welten. Wo Figuren in die Welt der Schreibenden sehen können, Geschichten daraus mitnehmen und Lieder umdichten. Und wo Schreibende ihre Welt betreten.
Tritt ein, und wenn du Glück hast, kannst du Stimmen lauschen, die noch keiner vor dir gehört hat. Doch Vorsicht, denn manchmal öffnet sich die Tür zur Welt dahinter und was du dort siehst, mag lange in dir nachklingen.

„Ich mag es, wenn das Blut die Straßen hinunterrinnt. Wenn der Protagonist an den Auswirkungen seiner eigenen Taten leidet. Wenn er die einzig zwingenden Möglichkeiten nutzt.“ Breanos dunkle Augen schauten unter den graudurchsetzten Brauen hervor und funkelten.
„Das ist doch typisch“, raunte Nerex. Er lehnte sich nach vorne, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und zog seine schwarze Kapuze etwas weiter ins Gesicht. „Ihr Wächter mögt es einfach blutig. Und behauptet immer, ihr wärt gut.“
Breanos lachte, ein warmes, tiefes Lachen, das in seiner Brust vibrierte. Vor ihm schimmerte der Rotwein im schummrigen Licht von Aethels Taverne.
Nerex schnaubte. „Blutige Geschichten mögt ihr doch in Wahrheit nicht nur in Büchern. Ihr seid es schließlich gewesen, die das blutige Jahrhundert beschlossen und umgesetzt habt. Ohne euch -“
„… wären die Menschen mittlerweile komplett Sklaven der Krasos (Dämonen)!“, unterbrach ihn Breanos. Zwischen seinen Brauen war eine Furche aufgetaucht.
„Ah“, seufzte Nerex wohlig und lehnte sich zurück. Er strich seine Kapuze vom Kopf. Auf seiner Glatzte tanzten die Funken der Lampe, die direkt über ihrem Tisch hing. „Das hat gekitzelt, was, Alter?“
Breanos sah ihn an. Eine lange Zeit. Still.
Nerex zuckte mit den Schultern. „Nun, sei es wie es sei, Seelenfinder. Wie ich erwähnte, als ich mich hierher zu dir gesetzt habe, habe ich dich mit einem Buch in der Hand hier gesehen und wollte erfahren, was für eine Art Geschichten Wächter mögen.“
„Ach richtig, das war deine Ausrede gewesen, wie eine Motte ins Licht herüber zu fliegen. Um einen alten Mann dann zu beleidigen und respektlos wie ein Bengel zu sprechen, der gerade das Alter erreicht hat, in dem er der Meinung ist, ein Mann zu sein.“
„Einem alten Mann wie dir. Ja. Voller Regeln über Respekt und Anstand. Weil ich du sage? Und nicht buckelnd und schleimend vor dir am Boden krieche?“ Jetzt beugte er sich nach vorne, wurde aber nicht leiser, dafür umso schärfer im Ton. „Hör mal zu, alter Mann. Du magst ein alter Wächter sein, aber gegen mich bist du immer noch jung. Zugegebenermaßen kein ganz so junger Hüpfer wie Andrarg.“
Aus Breanos Gesicht verschwand die Farbe abrupt. „Was weißt du über ihn? Hast du ihn gesehen?“
„Deinen ehemaligen Schüler? Der jetzt dem Meister der Schattendämonen die Stiefel putzt?“ Nerex hob seinen Krug, ein Teil des Biers lief über seinen Bart. „Ja, habe ich, aber sag mir endlich: Was fasziniert dich an Grimdark Fantasy? Außer, dass das Blut die Straße herunterfließt.“
Breanos zögerte und zog das Buch vom Tisch, das dort aufgeschlagen lag.
„Grimdark Fantasy ist so grausam, wie es die Realität ist, weil Menschen sich nie für das Gute entscheiden können und Krasos das Böse immer weiter durch die Welt tragen. Eine Welt ohne Hoffnung, eine Welt, in der die Figuren überleben müssen. Ich liebe es nicht, weil es grausam ist, sondern weil es klar und deutlich ist und weil es vielleicht den ein oder anderen dazu bringt, über Grausamkeit nachzudenken.“
„Du willst die Welt verbessern? Indem über Böses geschrieben wird?“
„Grauzonen, Nerex. Alles Grauzonen. Denn gut und böse gibt es in den Geschichten nicht. Genau das ist es doch. Wenn nichts mehr klar ist, dann musst du darüber nachdenken!“
„Ich will überhaupt nicht nachdenken, ich will eine Geschichte, die mich mitreißt. Und in der ich mit dem Helden reisen kann, erleben kann, wie er Licht ins Dunkel bringt.“
Nickend erklärte Breanos: „Du willst das, was ihr nicht habt. Du willst einen Helden.“
Nerex schüttelte den Kopf. Einzelne Tropfen Bier lösten sich von seinem Bart.
„Dann sag du mir doch: Was willst du von Geschichten? Außer, dass der Held das Licht ins Dunkel bringt. Warum bevorzugst du Dark Fantasy gegenüber Grimdark? Und warum nicht gleich Noblebright?“
„Ich mag die Dunkelheit, Seelenfinder. Sie ist nicht der schlechteste Ort, an dem man leben kann. Es gibt mehr dort zu entdecken, als goldene Regel- äh, -liebhaber wie du es sich vorstellen können. Aber ich mag es auch, wenn das Böse klar erkennbar ist. Wenn es gruselige Monster gibt, vor denen ich mich beinahe oder sogar wirklich fürchte. Das muss erst einmal wer fertig bringen. Ich mag es, wenn es spannend ist. Es muss aber nicht die ausgeschriebene Gewalt sein. Und Magie muss nicht zerstören. Ich mag Magie.“ Er grinste. „Ich beherrsche auch wesentlich mehr Magie als du.“
Breanos trank einen Schluck.
„Ich denke tatsächlich, dass auch solche Geschichten mir gefallen könnten. Warum auch nicht? Hoffnung wünsche ich der Welt, auch unserer. Wenn wir keine mehr haben, was soll dann aus uns werden?“
„Warum liest du dann Grimdark? Warum willst du etwas lesen, in dem es kein gut und böse mehr gibt? Bist du es leid, für die Gute Seite zu kämpfen? Oder bist du gar den Kampf selbst leid?“
„Ich wünschte mir, es müsste keiner kämpfen. Und trotzdem bin ich den Kampf nicht leid, denn er hat einen Sinn. Wir sind da, um den goldenen Schild Esilias hier in der Welt zu tragen. Wir haben eine Aufgabe, die größer ist, als unser kleines Leben – und als unsere eigenen Wünsche. Was nicht heißt, dass ich keine habe. Aber zu deiner Frage: Ich lese Grimdark, weil es für mich die Sprache der Wahrheit ist.“
„Wahrheit“, murmelte Nerex. „Warum seid ihr Wächter nur so erpicht auf die eine Wahrheit? Als ob es sie geben würde. Nenn mir noch einen anderen Grund.“
„Jede Tat hat Konsequenzen und die werden auch gezeigt und gelebt. Ihr Krasos, ihr glaubt, ihr habt das Recht, eure Magie mit dem Tod und Leid anderer zu speisen. Und dass euch nichts dafür genommen wird, dass ihr nicht dafür bezahlt. Aber Magie hat einen Preis. Und Handlungen auch. So soll es sein! Ich flüchte nicht in eine andere Welt, in der ich davon träumen kann, dass es anders wäre.“ Er legte das Buch wieder vor sich auf den Tisch.
Nerex streckte eine Hand aus und zog es zu sich herüber. „Die Prophezeiung“, las er leise. „Weißt du, Seelenfinder, vielleicht magst du tatsächlich die Geschichten, die deine Sicht auf Gut und Böse durchbrechen. Weil du dir doch nicht sicher bist, dass alles richtig ist, was ihr tut.“ Er beobachtete den Wächter und nickte. „Ja, das habe ich mir gedacht. Aber ich denke, du bist nicht wie die anderen.“
„Woher willst du das wissen?“
„Weil Andrarg anders ist.“
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