Wie die Geschichte entstand
Ich liebe Heldengeschichten. Ich liebe Frodo (und noch mehr Sam an seiner Seite), liebe Ward von Hurog (wer das nicht kennt, bitte lies Patricia Briggs, sie ist echt die Beste!) und Luke Skywalker.
Ich mag es, wenn die Fronten klar sind, schwarz und weiß, gut gegen böse.
Aber mir war von Anfang an klar, dass das nicht das ist, was in meiner Brust schlägt.
Meine Seele atmet Grimdark.
Mein Herz schlägt Grimdark.
Meine Stimme trägt es hinaus.
Ich wollte keinen Helden. Vom ersten Moment an schwebte mir einer vor, der auf der Seite der Bösen kämpft. Ein Dämon gegen andere Dämonen.
Aber warum sollte er gegen die anderen sein? Was war der Grund dafür, dass er dort war?
Böses sollte nicht einfach nur böse sein, weil halt böse.
Er sollte von der anderen Seite kommen.
Und dann war er da. Andrarg, der Wächter, der die Seiten wechselt.
Man könnte auch sagen: Der gefallene Wächter.
Aber lies doch selbst!
Kapitel 1 – Der Meister der Schatten
Düsteres Grauen, düsteres Land.
Welch größere Quelle der Finsternis gibt es
neben dem menschlichen Herz?
Finyard, König von Nidaren, 1246
Grafschaft Erirfort, neunter Mond 1302
Sie hatten mich gefunden. Fünf Krasos standen in der Abenddämmerung um mich herum, kreisten mich ein – ruhig und siegesgewiss. Einer trat einen Schritt nach vorn,
ein anderer lächelte, aber nicht boshaft, sondern beinahe gelangweilt. Keiner blickte sich um. Umso größer war ihre Verwunderung, als ich meinen Schild zündete und das Licht ihnen für einen Augenblick die Sehkraft raubte. Es waren fünf Männer in schwarzem Leder, das nach Art der Krasos-Magie unterschiedlich schimmerte. Der jüngste stand mir am nächsten, eindeutig ein Feuerdämon. Seine lederne Kampfkleidung war in grünliche Flammen getaucht. Sie bestand aus einer eng anliegenden Hose und einer Weste. Seine Arme waren nackt und mit schwarzen Linien übersät, die sich zu Mustern fügten, die ich nicht verstand. Wären Kleidung und Glyphen nicht gewesen, hätte er ein heranwachsender Mann sein können. Von seinen Muskeln her vielleicht ein Schmied. Doch im Lichte meines Schildes konnte ich seine Augen sehen, die jedem Verdacht, er könne ein Mensch sein, widersprachen.
In ihnen loderte sein grünes Feuer. Die Flammenfarbe war so ungewöhnlich, dass ich zweimal hinsah. Noch nie hatte ich grünes Dämonenfeuer gesehen. Aber auch nach sechs
Jahren Wächterdasein lernte man immer wieder dazu. Außer ihm hatten mich zwei weitere Feuerdämonen, ein Winddämon und ein Schattendämon eingekreist. Ob sie
auch ungewöhnliche Zeichen trugen, konnte ich nicht mehr wahrnehmen. Sie hatten sich vom plötzlichen Lichtschein erholt und griffen mich an. Ich riss meine Klinge nach oben und parierte. Triumph bebte durch mich hindurch und verlieh mir Kraft. Ein Schattendämon war unter ihnen. Ein Schritt in Richtung meines Ziels. Ich ließ mich auf den Boden fallen und trat zwei von ihnen in einer Kreisbewegung die Beine weg. Ich schrie nicht auf, als ein Feuerball mich am Rücken traf, sondern sprang mit einem Rückwärtssalto auf den Feuerdämon hinter mir zu. Drehte mich um und durchstieß sein Herz mit meinem Dolch. Seine orangen Flammen erloschen und ein Häuflein Asche sammelte sich auf dem Boden. Ein Windstoß fegte mich von meinen Füßen und einen Meter nach hinten, ein Krasos setzte nach und versenkte beinahe sein Schwert in mich, aber mein Schild hielt es im letzten Moment ab. Kein Splittern und Krachen wie bei einem Holzschild, sondern ein versumpfen der Schlagkraft in meiner Magie. Der Krasos hatte Mühe, seinen Arm zurückzuziehen. Für Außenstehende musste dieser Kampf blitzschnell aussehen, aber vor meinen Augen lief alles wie in Zeitlupe ab. Ich rollte mich im Schutz meines Schildes dem Winddämon entgegen und ignorierte den Schlag eines anderen Krasos. Blut rann meine linke Schulter hinab. Genau vor dem Winddämon richtete ich mich auf und stieß auch ihm meinen Dolch ins Herz. Das schwarze Metall schien vor Freude zu singen. Der Krasos löste sich auf. Die verbliebenen drei lieferten mir einen besseren Kampf. Schatten hüllten mich ein, raubten mir das Licht. Aber ich war ein Wächter. Das Knistern eines Feuerballs verriet mir die Richtung und ich duckte mich. Er sauste über meinen Kopf hinweg, aber versengte mich nicht. Ich wandte mich dem Schatten zu. Immer wieder stieß mein Dolch ins Leere. Er war zu flüchtig. Also konzentrierte ich mich auf die zwei Feuerdämonen, deren grüne und rote Flammen um sie herumwirbelten. Entfesselt schlug ich in raschen Links-rechts-Kombinationen auf den Grünleuchtenden ein, während mein Schild mich von hinten schützte. Lichtmagie, gelenkt von meinem Willen. Ein kräftiger Schlag traf mich in die Magengrube. Ich schnappte nach Luft. Doch es brachte mich nicht aus dem Rhythmus. Ich war Wächter. Kämpfer. Krieger. Ich ignorierte meine Schmerzen und focht weiter. Der zweite Feuerdämon stieß einen Schrei aus, als mein Dolch ihn ins linke Bein traf. Er hatte nicht damit gerechnet, weil ich immer noch versuchte, den anderen Feuerdämon bzuwehren.
Ich verstärkte das Licht meines Schildes, bis es die Schatten abwehrte und zerstreute. Doch einen Schattendämon besiegt man so nicht. Er fiel etwas zurück und ich erkaufte mir so Zeit. Genau so viel, um dem schon verwundeten Krasos den Dolch ins Herz zu stoßen. Bis der letzte Feuerdämon fiel, dauerte es nur wenige Sekunden, dann waren rote und grüne Flammen endgültig erloschen.
Der Schattendämon und ich standen uns allein gegenüber. Endlich. Ich war meinem Ziel noch ein Stück näher gekommen. Jetzt nur keinen Fehler machen. Wir fochten eine Zeit lang schweigend, doch ich spürte, dass meine Kraft mich verließ. Die Wunde an meiner Schulter blutete immer noch. Jetzt hatte ich nur noch eine Chance, den Kampf zu dem Ende zu bringen, das ich anvisierte. Noch einmal alle Kraft sammelnd, ließ ich meinen Schild verschwinden und verwirrte so den Schatten. Blitzschnell sprang ich gegen ihn, erwischte ihn diesmal in seiner festen Gestalt und schlug ihn zu Boden. Dann hielt ich den Dolch gegen seinen Hals.
»Was willst du, Davos?«, knurrte er. »Worauf wartest du noch?«
»Bring mich zu deinem Meister«, befahl ich. Das, nur das, war der Sinn des Kampfes gewesen. Die Erregung des Gefechtes verflog, in mir wurde es ruhig, aber mein Körper blieb angespannt. Er musste mitspielen.
»Nie und nimmer«, lautete seine Antwort. Er sammelte seine Schatten und versuchte sich in ihnen aufzulösen. Ich schlug ihm mit der Faust gegen die Stirn, was sein Ansinnen unterbrach.
»Bring mich zu deinem Meister«, wiederholte ich sogleich grimmig.
»Warum?«, verlangte er, zu wissen.
»Das geht dich nichts an! Doch keine Sorge, ich will ihm nichts tun.«
Er lachte höhnisch. »Ein Wächter, ein Davos …« Er spuckte bei dem dämonischen Wort für Wächter aus. »… will einem Krasos nichts tun?«
»Glaub mir oder lass es«, fauchte ich. »Willst du nun am Leben bleiben oder nicht?«
Ich stand auf und befreite ihn damit. Wenn er jetzt verschwände, müsste ich mir erneut einen Schattendämon suchen. Alles wäre umsonst. Ich atmete langsam und gezwungen durch die Nase. Er würde es tun. Ich atmete noch einmal. Es war der richtige Moment, der richtige Helras. Noch ein Atemzug. Er stand auf, aber blieb in seiner Gestalt. Mürrisch blickte er mich an und nickte. Ich folgte ihm zufrieden. Mein Körper schmerzte, die Anstrengung war in jedem Glied spürbar. Aber ich war ein Wächter. Ich war Schlimmeres gewohnt.